Nachfolgend ein Beitrag vom 2.10.2018 von Fischer, jurisPR-PrivBauR 10/2018 Anm. 3

Orientierungssätze

1. Ein Architekt ist verpflichtet, bereits im Rahmen der Grundlagenermittlung den wirtschaftlichen Rahmen abzustecken (BGH, Urt. v. 17.01.1991 – VII ZR 47/90). Er hat darüber hinaus den Bauherren zur Höhe der Baukosten und zu deren Ermittlung allgemein zu beraten (BGH, Urt. v. 03.07.1997 – VII ZR 159/96).
2. Bei seiner Planung hat der Architekt die ihm bekannten Kostenvorstellungen des Bauherrn zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 24.06.1999 – VII ZR 196/98, BGH, Urt. v. 21.03.2013 – VII ZR 230/11). Kostenvorstellungen des Bauherrn muss er im Rahmen der Kostenermittlung erfragen.
3. Allein aus dem Abschluss eines Architektenvertrages kann nicht darauf geschlossen werden, dass der Architekt zugleich bevollmächtigt ist, den Bauherren rechtsgeschäftlich zu vertreten, auch dann nicht, wenn der Bauherr dem Architekten sämtliche Leistungsphasen der HOAI übertragen und ihn darüber hinaus mit der Beratung hinsichtlich des Einsatzes von Sonderfachleuten beauftragt hat.

A. Problemstellung

Neben der fachgerechten Planung des Gebäudes ist der Architekt verpflichtet, den wirtschaftlichen Rahmen abzustecken und die Kostenvorstellungen des Bauherrn zu berücksichtigen. Wie weit die Pflichten des Architekten gehen, wird in der Entscheidung des OLG Naumburg dargelegt.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Auf Grundlage eines Architektenvertrages verlangte die Klägerin Honorar für Planungsleistungen. Widerklagend begehrte die Beklagte Schadensersatz wegen Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten. Der Beklagte beabsichtigte, ein Grundstück mit einem ehemaligen Verwaltungsgebäude zu erwerben und – möglichst unter Verwendung öffentlicher Fördermittel – zu Wohnungen umzubauen. Nach Besichtigung des Grundstückes erstellte die Klägerin ein Honorarangebot, in dem sie von einer Vergütungsforderung i.H.v. ca. 415.000 Euro ausging. In einer in diesem Zusammenhang erstellten Kostenschätzung ermittelte die Klägerin die Gesamtkosten auf 2.310.000 Euro. Nachdem der Beklagte sich nach einer Verringerung der Baukosten erkundigt hatte, erstellte die Klägerin eine weitere Kostenschätzung in einer Höhe von rund 1.725.000 Euro. In einem kurz danach abgeschlossenen Architektenvertrag übertrug der Beklagte der Klägerin die Ausführung der im Zusammenhang mit dem Umbau und der Sanierung des Gebäudes erforderlichen Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 9 des § 34 HOAI.
Im Auftrag des Beklagten erstellte die Klägerin einen Antrag auf Erhalt von Fördermitteln zur Sicherung und Instandsetzung der äußeren Bauhülle des Gebäudes. In dem Antrag ging die Klägerin von geschätzten Gesamtkosten i.H.v. 995.000 Euro aus, auf deren Grundlage sie eine Förderung von 398.000 Euro errechnete. Die Vergabe des Kredites für den Beklagten machte die Bank von der Schaffung von geeignetem Wohnraum für behinderte Menschen abhängig, wobei die Kreditvergabe nicht pauschal für das Objekt erfolgte, sondern i.H.v. 75.000 Euro je Wohneinheit vergeben würde. Hierüber unterrichtete die Beklagte die Klägerin. Die Klägerin bereitete dann einen Bauantrag vor, der die Schaffung von 20 Wohnungen und einer Gewerbeeinheit zum Gegenstand hatte. In diesem Zusammenhang bestätigte die Klägerin nochmals ausdrücklich, dass die Kostenobergrenze für die Gesamtfinanzierung einschließlich sämtlicher Nebenkosten und Gebühren von 1,3 Mio. Euro bis 1,8 Mio. Euro auch im Falle des Wegfalls beantragter Fördermittel eingehalten werden könnten. Später legte dann die Klägerin eine Kostenberechnung vor, nach der selbst eine Erstellung von zehn bis elf Wohneinheiten für ca. 1,8 Mio. Euro nicht möglich erscheint. Daraufhin kündigte der Beklagte den Architektenvertrag aus wichtigem Grund und verlangte die Rückzahlung von Honorar und Schadensersatz i.H.v. 150.000 Euro. Die Klägerin begehrte Honorar für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen i.H.v. rund 200.000 Euro.
Das Landgericht hatte die Klage der Klägerin abgewiesen und verurteilte diese auf die Widerklage des Beklagten zur Zahlung von 100.000 Euro. Das OLG Naumburg hat die Entscheidung des Landgerichtes aufgehoben und das Verfahren an dieses zurückverwiesen. Dabei bestätigt das Oberlandesgericht, dass die Klägerin den Beklagten über die wirtschaftliche Tragweite des durch ihn in Aussicht genommenen Bauvorhabens nur unzureichend beraten hat. Auf der Grundlage des mit dem Beklagten abgeschlossenen Architektenvertrages war die Klägerin verpflichtet, bereits im Rahmen der Grundlagenermittlung den wirtschaftlichen Rahmen abzustecken (BGH, Urt. v. 17.01.1991 – VII ZR 47/90). Sie war darüber hinaus verpflichtet, den Beklagten zur Höhe der Baukosten und zu deren Ermittlung allgemein zu beraten (BGH, Urt. v. 03.07.1997 – VII ZR 159/96). Diese Kostenberatung diene dem Zweck, den Beklagten über die erwartenden Baukosten des Bauvorhabens zu informieren, damit er Entscheidungen über die Durchführung des Vorhabens auf einer geeigneten Grundlage treffen könne (BGH, Urt. v. 11.11.2004 – VII ZR 128/03). Diese allgemeine Beratungspflicht erfährt keine Einschränkungen dadurch, dass Kostenangaben der Klägerin zu besonderen Zwecken benötigt wurden. Der Beklagte durfte davon ausgehen, dass zu solchen Zwecken abgegebene Kostenschätzungen zutreffend waren. Anderenfalls hätte die Klägerin über die Schwächen der Kostenangaben aufklären müssen. Sie musste deshalb darüber aufklären, dass ihre Kostenangaben im Bauantrag oder zur Unterstützung von Kreditanträgen sowie zur Sicherung von Fördermöglichkeiten ungenau oder sogar fehlerhaft und deshalb keine geeignete Grundlage für die Investitionsentscheidung sein konnte (BGH, Urt. v. 11.11.2004 – VII ZR 128/03). Die Klägerin war darüber hinaus verpflichtet, in den Zeitpunkten, in denen sie die Vorlage von Kostenermittlungen schuldete, zutreffende Kostenangaben zu machen. Soweit sie unabhängig davon fehlerhafte Kostenschätzungen zu besonderen Zwecken vorgelegt haben sollte, bestand für sie eine gesteigerte Aufklärungspflicht über deren Fehler bezogen auf den jeweiligen Zeitpunkt der Vorlage der Kostenschätzungen. Diese Verpflichtung war nicht deshalb Einschränkungen unterworfen, weil der Beklagte die Ungenauigkeit oder Fehlerhaftigkeit später erkennen konnte. In Ausnahmefällen könnte die Aufklärungspflicht entfallen, wenn der Beklagte positive Kenntnis von den aufzuklärenden Umständen besaß und auch in der Lage war, die Konsequenzen für die weitere Planung und Durchführung des Bauvorhabens selbstständig zu erkennen, so dass er einer Beratung durch die Klägerin nicht bedurfte (BGH, BGH, Urt. v. 11.11.2004 – VII ZR 128/03 Rn. 30). Die Klägerin war darüber hinaus verpflichtet, bei ihrer Planung die ihr bekannten Kostenvorstellungen des Beklagten zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 24.06.1999 – VII ZR 196/98; BGH, Urt. v. 21.03.2013 – VII ZR 230/11). Kostenvorstellungen des Beklagten musste die Klägerin im Rahmen der Kostenermittlung erfragen. Da es sich bei dem Beklagten um einen privaten Auftraggeber handelte, dessen wirtschaftliche Verhältnisse nicht offenlagen und der die ihm aufgrund seiner Bauvorstellung entstehenden Kosten nicht einzuschätzen vermochte, war eine gründliche Aufklärung erforderlich (BGH, Urt. v. 21.03.2013 – VII ZR 230/11). Das Oberlandesgericht hat die Angelegenheit zurück an das Landgericht verwiesen, da durch Sachverständigenbeweis aufzuklären ist, ob das Bauvorhaben nicht auch unter Einhaltung der Kostenobergrenze durchzuführen gewesen wäre und zu klären sei, wann der Beklagte welche Anzahl zu sanierender Wohneinheiten mit welchem Ausbaustandard gefordert habe.

C. Kontext der Entscheidung

Dass der Architekt verpflichtet ist, den Bauherrn rechtzeitig und vollständig über die entstehenden Baukosten zu unterrichten, entspricht der ständigen Rechtsprechung (BGH, Beschl. v. 07.02.2013 – VII ZR 3/12; BGH, Urt. v. 11.11.2004 – VII ZR 128/03). Dabei hat der Architekt die entsprechenden Kostenermittlungen vorzunehmen und auch bereits im Rahmen der Grundlagenermittlung den Bauherrn nach den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln zu fragen (BGH, Urt. v. 21.03.2013 – VII ZR 230/11). Diese Kostenvorstellungen sind auch dann beachtlich, wenn sie nicht eine genaue Bausummenobergrenze enthalten, sondern nur Angaben zur ungefähren Bausumme, mit dem ein Kostenrahmen abgesteckt wird.

D. Auswirkungen für die Praxis

Durch die seit dem 01.01.2018 im BGB befindlichen Regelungen zum Architektenvertrag (§§ 650p bis 650t BGB) ist der Architekt in den meisten Fällen verpflichtet, vor Beginn der eigentlichen Planung eine Kosteneinschätzung zusammen mit der Planungsgrundlage vorzulegen, § 650p Abs. 2 BGB. Der Begriff der „Kosteneinschätzung“ ist neu und findet sich daher auch nicht in der DIN 276 – 1: 2008-12. Diese Kosteneinschätzung ist weniger als die Kostenschätzung, die auf Grundlage der Vorplanung erstellt wird. Bei der Kosteneinschätzung handelt es sich allenfalls um einen Kostenrahmen, der nicht aus einer konkreten Bausumme, sondern aus Rahmenwerten (von – bis) besteht (vgl. Preussler in: Leinemann/Kues, BGB-Bauvertragsrecht, § 650p Rn. 20). Nach Vorlage der Planungsgrundlage mit der Kosteneinschätzung steht dem Bauherrn nach § 650r BGB ein Sonderkündigungsrecht zu, welches keiner Begründung bedarf. Unterlässt der Architekt die Vorlage der Kosteneinschätzung und legt er erst in einem späteren Zeitpunkt eine Kostenermittlung, beispielsweise eine Kostenberechnung nach Abschluss der Entwurfsplanung vor, kann der Bauherr auch in diesem Zeitpunkt noch das Sonderkündigungsrecht ausüben. Dies hat dann zur Folge, dass die gefertigten Planungsleistungen – sofern sie vom Bauherrn nicht verwertet werden – nicht vergütet werden müssen.
Nach § 650r Abs. 3 BGB ist der Architekt im Falle der Ausübung des Sonderkündigungsrechtes nur berechtigt, die Vergütung zu verlangen, die auf die bis zur Kündigung erbrachten (notwendigen) Leistung entfällt. Beim Verbraucher ist darüber hinaus noch zu beachten, dass die zweiwöchige Frist zur Kündigung nur dann zu laufen beginnt, wenn der Architekt den Verbraucher bei der Vorlage der Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung in Textform über das Kündigungsrecht, die Frist, in der es ausgeübt werden kann und die Rechtsfolgen der Kündigung unterrichtet hat, § 650r Abs. 1 BGB.

Architektenvertrag: Verpflichtung zur Beratung über die wirtschaftliche Tragweite eines Bauvorhabens
Andrea KahleRechtsanwältin
Architektenvertrag: Verpflichtung zur Beratung über die wirtschaftliche Tragweite eines Bauvorhabens
Birgit OehlmannRechtsanwältin

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